Mutter Teresa

Ihre Person und ihr Wirken praegt diese Stadt. Die hier vorhandenen katholischen Kirchen und Institute dienen den Armen der Stadt, und zwar allen - waehrend Hindus und Moslems nur den eigenen Glaubensangehoerigen an Festtagen Almosen geben. Das Beduerfnis, der Stadt neben Ramakrishna eine Heilige zu geben, hat auch schon buddhistische Zeremonien hervorgebracht, die ein Bild der Mutter Teresa verehrten - oder auch Indira Gandhi. (Von Mahatma Gandhi hab ich dagegen noch keine Silbe gehoert hier)

Heute morgen habe ich das Haus besucht, in dem sie gewohnt und gewirkt hat. Ohne von einem Empfang oder einer Kasse aufgehalten zu werden, schiebe ich mich an ins Gespraech Vertieften in den Hof hinein, vorbei an einer Mutter Teresa-Bronce, die gerade mit einem Kuebel Wasser gewaschen wird, und betrete den Raum mit dem Sakopharg. Es ist ein mit Neonlampen ausgelaeuchteter Saal, der in der Mitte durch eine fast bis zur Decke reichende Holzwand geteilt ist. Zwischen dem breiten glatten Marmorsakopharg und dieser Holzwand liegt die Kapelle mit Holzaltar und Ambo, als Abgrenzung zum Andachtsraum dient ein blaues Absperrband wie am Flughafen. Alle Fenster stehen offen, die Ventilatoren rotieren - aber im Raum herrscht Ruhe. Einige Frauen beten, spaeter kommen einige Schwestern herein, knieen fuer eine Weile am Grabmal nieder und gehen wieder ihrer Beschaeftigung nach. Auf den Balkonen sehe ich alte Schwestern gehen, neben mir auf der Hofbank sitzen zwei junge, bildhuebsche Muetter mit ihren Babys, und sie und ihre Mutter werden abwechselnd zu einem Gespraech mit einer europaeisch aussehenden Schwester gerufen.

Mutter Teresas Zimmer ist gerade so gross, dass ein Bett und ein Tisch mit Bank und noch ein Schreibtisch darin Platz haben. Ein Regal vor dem Fenster enthaelt Schachteln mit Aufschriften, die ich nicht lesen kann. An den Waenden sind zwei Kreuze, ein grosses ueber dem Bett (neben einem Bild von Papst Johannes Paul II, der sie gerade in ihrem Zimmer besucht) sowie ein kleines neben dem Fenster.

Der schmale Hof, von dem aus die Treppe direkt zu ihrem Zimmer fuehrt, wird von einer Lourdes-Muttergottes beherrscht, und eine Plexiglasvitrine an der Wand zeigt eine lebensgrosse Figur der Mutter Teresa, die ein kleines Kind wickelt. An der Eingangswand haengt ein grosses, gelbliches Bild mit einem an einem Baum gekreuzigten Jesus, unter dem ein blau gekleidetes Maedchen steht und die Haende entrueckt von sich haelt. Auf ihrer Brust ist ein Bild der Mutter Teresa befestigt, und ueber der Landschaft entlaesst der Himmel Lichtstrahlen auf die Szene. Im Hintergrund ist deutlich eine Eisenbahnlinie zu sehen, auf der ein Zug sich in einer Schleife auf eine Bruecke hinaufarbeitet. - Bestimmt stellt das Bild die Berufung der Mutter Teresa dar, die sie aus ihrer Heimat in Skopje zunaechst in die vornehme Klosterschule in Kalkutta, und schliesslich zu den Leprakranken und Sterbenden gefuehrt hat/


Im Kinderheim der Schwestern der Naechstenliebe geht es froehlich zu. Ich sehe in verschiedenen Gebaeuden und Stockwerken Raeume und Saele mit spielenden Kindern, die von Schwestern, einheimischen jungen Frauen oder Volunteers breaufsichtigt werden. Da ist viel Lachen ueberall, und oft, wenn ich in ein Zimmer hineinschaue, kommt ein Kind her und will aufgehoben werden. Maenner gibt es hier nicht, faellt mir auf. In einem anderen Trakt sind behinderte Kinder. Ich sehe, wie gerade einige auf einer Art Liegestuhl von davor knieenden jungen Frauen zum Aufsetzen und wieder Zuruecklehnen angeleitet werden. Andere Kinder werden gefuettert. Wieder springt ein Maedchen auf und laeuft durch den Saal auf mich zu und umklammert mich - mehrmals tut sie das. Und schliesslich komme ich dazu, wie eine Kindergruppe ein Lied singt, und immer wieder stossen weitere Kinder dazu.
Die Schwester erzaehlt, dass die meisten Kinder von armen Eltern gebracht werden. Auf der Strasse zurueckgelassene Kinder scheint es nicht mehr zu geben. Wenn sie groesser werden, kommen sie an einen anderen Platz und werden auf die Schule vorbereitet/

Die Book-Guides (besonders die englischsprachigen) koennen sich uebrigend nicht verkneifen, zum Artikel ueber Mutter Teresa auch sueffisant zu bemerken, dass ihre Ablehnung der Abtreibung und Empfaengnisverhuetung doch nicht ganz so modern gewesen waere. Die Autoren haben nicht begriffen, dass gerade ihre Arbeit ein Ankaempfen gegen diese billige technische Machbarkeitsvorstellung ist, naemlich durch Liebe anstatt Toetung/

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Am Abend besuchen wir das Obdachlosenheim der Schwestern. Es ist ein erstaunlich langgestrecktes Gelaende mit einem Garten und einer Vogelvoliere, wo einige Maenner verschiedenen Alters herumstehen. Im grossen Schlafsaal doesen auch junge Maenner und sogar Jugendliche. In zwei anderen Saelen liegen sehr Schwache und Abgemagerte auf Matratzen. Es gibt auch einen Saal fuer alte Frauen.
Froehlich erzaehlt die Schwester, dass diese Menschen von Mitarbeiterinnen auf den Bahnhoefen aufgelesen werden. Die meisten waeren drogensuechtig gewesen, und der Alkohol haette ihre Gesundheit weiter verschlechtert. Die verbundenen Beine seien Zeichen fuer die Injektionswunden. Nur etwa vier Schwestern seien sie hier, aber auch viele Freiwillige aus allen Laendern der Erde. Wie koennte man sonst 200 Menschen beherbergen, meint sie laechelnd. Einmal in der Woche komme ein Arzt her, und Essen und Medikamente mussten sie von den Spendengeldern kaufen. Sie scheint ein bisschen belustigt zu sein ueber die Fragen des europaeischen Priesters und meint, dass sie, wenn sie einmal keinen Priester fuer die Messe haetten, dann beim nahegelegenen Seva Kendra-Zentrum nachfragen wuerden - wo ich untergebracht bin/

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Gedankenbilderbuche - 19. Aug, 19:33

Es ist schön,

dass du uns wieder an deiner Reise teilhaben lässt – durch Wort und Bild. Ein authentischer Reisebericht dieser Art lässt Weltkirche erkennen und so manche heimatliche Querelen sehr klein erscheinen.
Liebe Grüße aus dem postpostmodernen Land der großen Töchter und Söhne und eine erfahrungsreiche Weiterreise!

Ulli, Fritz und Poldi

weichensteller - 19. Aug, 19:40

Joe,

das freut mich, von euch zu hoeren, grosse Tochter & Soehne!
Da gibt es nun schon SEHR viel, was wir uns zu erzaehlen haben!
Liebe Gruesse aus dem Chaos!

(ich sitze allein in Direktors Buero, und es ist bald Mitternacht....)
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