Im Labyrinth von Varanasi

Es hat so begonnen, dass Sandro von einem bestimten Restaurant gehoert hatte, und wir dort an unserem letzten Tag in dieser Stadt essen wollten. Als wir in die Motorrikscha stiegen, begann der Regen herunterzuprasseln, die Strassen leerten sich. Der Fahrer verschloss sorgsam den Einstieg zur Sitzbank und fuhr unverdrossen weiter. Aber das letzte Stueck des Weges verlief durch eine Fussgaengerzone, da mussten wir laufen. Die Verkaeufer hatten gelassen Planen ueber ihre Staende gezogen, die Kaeufer wateten durchs Wasser, hielten einen Schirm oder und zogen die Dupatta fester ueber den Kopf. Ich versuchte, ueber die Pfuetzen zu springen, aber als sich Stroeme aus den Seitengassen ergossen, watete ich mit den Sandalen bis zu den Knoecheln in der braunen Schwemme. Nach vielem Fragen gerieten wir in die Seitengassen der Seitengassen, der Weg veraestelte sich immer weiter, die Gaenge schienen den Atem einzuschnueren. Schliesslich fanden wir selbst die Spur und konnten nun Schildern folgen, an kleinen Tempeln vorbei, dann stand eine Kuh in der Gasse, es spielten Kinder, es sass ein blinder Bettler im Schlamm, zuweilem mussten wir ueber Stufen steigen, immer wieder scharf abbiegen, uns der Einladungen erwehren, zum Haareschneiden, Seide kaufen, einen Stadtfuehrer engagieren, einen Bootsausflug zu machen. Zum Restaurant mussten wir fuenf Stockwerke hochsteigen und sassen dann auf einer ueberdachten Terrasse, hoch ueber dem Ganges.

Als wir nach der langen Essenspause wieder einigermassen trocken waren und nochmals ins Labyrinth stiegen, wurden wir auf eine Verbrennung an einem Ghat aufmerksam gemacht. Und wieder ging es durch winzige Gassen, an Kapellen und Latrinen vorbei, an Wasserhaehnen, wo Menschen ihre Flaschen auffuellten, manchmal an Verkaufsstaenden, zuweilen stand eine Tuer offen und liess den Blick in den Hof ein, oder in ein Wohnzimer, wo im Halbdunkel drei Tanten sassen und dem Grossvater die Fingernaegel schnitten. Und als sich der Blick zu oeffnen begann und die Hauswaende auseinandertraten, da schlug uns beissender Rauch entgegen. Grosse Mengen Holz waren aufgeschichtet neben dem Fluss, und da Hochwasser war und die Stufen ueberflutet, draengte sich alles zusammen am Ufer, und einige waren in ein Haus gestiegen und wohnten der Zeremonie wie von einer Galerie aus bei. Grosse Aufregung herrschte, je naeher ich dem Feuer kam - ich wurde geduldet, durfte aber das Feuer nicht fotographieren. Hinter einer Mauer wurde ganz nah am Fluss ein Leichnam verbrannt, und die Stadt wartete darauf, die Asche in den Fluss zu streuen. Die Familienangehoerigen umkreisten die Feuerstelle und stocherten darin herum, der Sohn sollte die Hirnschale aufknacken, damit die Seele entweichen konnte.

Wir aber entwichen durch das enge Gassengewirr, durchstreiften Rauch und Pissegestank, schuettelten den Tod ab und Schlamm und Rinderkot und traten schliesslich, frei aufatmend, auf die Strasse hinaus.

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