Sonntag, 4. September 2011

Mein Buddhismus

Ahamkara (Sanskrit: अहंकार, ahaṃkāra, seltener auch ahaṅkāra) ist ein Sanskrit-Ausdruck, der sich in der hinduistischen Philosophie auf das Ich-Bewusstsein oder die Ich-Funktion bezieht. Der Begriff besteht aus den Bestandteilen ahaṃ ("ich") und kāra ("machend", von der Wurzel kṛ, "tun"). Er wird mit "Ich-Macher" oder mit "Ego" übersetzt.

Buddhistische Meditationsformen (Vipanassa und Zazen) versuchen, eine nichtwertende Haltung einzuueben, ein absichtsloses Gewahrwerden im Hier und Jetzt. Dem ist es fremd, sich in Spekulationen zu erheben ueber ferne Dinge und Zeiten, fremd auch, in jeder Sache sogleich den Schlussstrich zu ziehen und das Ergebnis zu pruefen und zu beurteilen. Gedanken und Gefuehle sind real, aber nicht der Boden, auf dem die Welt steht. Ohne ihnen anzuhaften, kann ihr Kommen und Gehen beobachtet werden.
Ich nenne das eine Zurueckhaltung gegenueber dem Maschinellen, in dem eines das andere gibt, ein Wort das andere, eine Tat die naechste. Es ist nicht noetig, dass der Mensch wie eines aus dem anderen folgt. Es ist besser, das Getriebe sich selbst zu ueberlassen und stattdessen ueberlegt zu handeln. Hunger will Nahrung, aber der Blick auf die Uhr muss nicht den Eindruck von Hunger erzeugen. Einsamkeit kann Gespraechspartner vermissen, aber pausenloses Plappern wird Einsamkeit nicht verhindern.

Wer ohne an dem Taterfolg zu haengen, die zu tuende Tat ausfuehrt, der uebt Entsagung und Hingabe. (...) Denn wer den Wuenschen nicht entsagt, kann (auch) nicht Hingabe ueben.
Wenn man naemlich weder an den Sinnesobjekten noch an den Taten haengt und allen Wuenschen entsagt hat, wird das als zur Vereinigung emporgestiegen bezeichnet.
(Bhagavadgita VI, 1-4)

Bei Ignatius steht Indifferenz fuer die Freiheit des Glaeubigen, der sich nicht durch ungepruefte Neigungen Gottes Wort verschliessen will. Das ist nicht Gleichgueltigkeit, sondern Gottes Willen hat in allem den Vorrang. Aber das reflexartige Streben des Menschen nach Festigkeit und Sicherheit, nach schnellem Ueberblick und schnellen Taten soll Gottes Willen nicht abdraengen. Der Individualismus des Ignatius will ein freies christliches Subjekt im Ankunftsraum Gottes, fern von Institutionen und Sicherheiten, mit geklaerten Affekten und geordnetem Geist. Deshalb wird fuer Ignatius die Kirche wieder zurueckverwandelt in den Lebensraum Gottes, der in Schrift und Kirche zu seinen Geschoepfen spricht. Sein Engagement in der Gegenreformation hat keine buergerlichen Ziele, sondern die Befreiung des Einzelnen von der Verfallenheit an Affekte und Vorurteile. Seine Lehre der Indifferenz ist entschiedenes Gegenprogramm zur buergerlichen Aufklaerung, naemlich Absage an die Selbstsicherung des Menschen in der Gesellschaft durch Macht, Erfolg und Leistung, Anpassung und unter dem Toleranzmantel zunehmende geistige Beliebigkeit.

„Wir genießen und vergnügen uns, wie man genießt; wir lesen, sehen und urteilen über Literatur und Kunst, wie man urteilt; wir ziehen uns aber auch vom ‚großen Haufen‘ zurück, wie man sich zurückzieht.“
So beschreibt Heidegger das Man, als das Unpersoenliche im Menschen, dem sich derjenige, der sein Da-sein als Veraeltnis zum Sein nicht zu uebernehmen bereit ist, unterwirft. „Alles Ursprüngliche ist über Nacht als längst bekannt geglättet. Alles Erkämpfte wird handlich. Jedes Geheimnis verliert seine Kraft. Die Sorge der Durchschnittlichkeit enthüllt wieder eine wesenhafte Tendenz des Daseins, die wir die Einebnung nennen wollen“. (SuZ 127)
Er nennt das ein Leben in Uneigentlichkeit, denn jeder ist, obgleich er sich fuer einzigartig haelt, immer der Andere.
Heideggers Buddhismus kommt wohl am ehesten in seiner Untersuchung der Befindlichkeit zum Ausdruck. Mehr als durch Erkennen und Verstehen befindet sich der Mensch in seiner Welt, wenn uns die Dinge etwas angehen und uns zu Antwort und Reflexion herausfordern. In der Zeitlichkeit des Daseins ist alles Kontingente in einen Horizont gestellt. Das Verhaeltnis, welches das Dasein zu sich selbst und seiner Welt aufbaut, ist immer auch eine Stellungnahme zu seinem Tod, der Grenze des Entscheidens. In Heideggers Bild vom Werden und Vergehen ist jedoch das Sein etwas Bleibendes, dem Menschen Uebergeordnetes - obwohl gerade nicht etwas, nicht Substanz, eher Nichts als Etwas. Kann man sagen, Sein existiert?

Kierkegaard sieht das Selbstverhaeltnis des Menschen jeweils in einem bestimmten Verhaeltnis zu Gott. Selbstsein heisst, Geschoepfsein und Begnadetsein, heisst, seine Zeitlichkeit auf Gott hinzuordnen. Diese Hinordnung auf Gott jedoch nicht zu vollziehen, heisst, sein Geschoepfsein zu verweigern. Kierkegaard nennt es, aus Trotz nicht man selbst sein zu wollen, bzw. aus Schwaeche man selbst sein zu wollen. Beides seien Formen der Verzweiflung, sei ein Anrennen des Menschen an den Barrikaden und Vorurteilen, sei ein Verzetteln in Auesserlichkeiten, ein Festfahren im Ausweglosen. Krankheit zum Tode nennt er diese existenzielle Situation, die Gott negiert oder sich an Substitutionen haelt. Religioese Denker wie Gluecksuchende, Tatmenschen wie Unentschiedene versagen allesamt beim versuchten Zugriff auf das Selbst, wenn sie es nicht von Gott aus tun. Dieses Ohne-Gott-sein-Wollen ist nichts anderes als Suende, und die Antwort auf diese Verlorenheit des Menschen ist Glaube an Gott, der nicht Aergernis nimmt an ihm.
Kierkegaard hat mit seiner Kritik die protestantische daenische Staatskirche im Blick, und er geisselt die selbstzufriedenen Pastoren, die in Sonntagsreden das Evangelium glaetten und mit aesthetischen und moralischen Auslegungen zwar Bewunderung und Anerkennung finden, dabei aber geflissentlich das Christentum abschaffen. Aber dieses uneigentliche Christentum ist schlicht ein buergerliches, ein zur eigenen moralischen Selbstbestaetigung des Buergertums umgedichtetes. Ansehen und Sicherheit, Leistung und Anpassung, Herrschaft und Kontrolle sind buergerliche Werte, nicht christliche.

Kierkegaards Begriff vom Selbst ist nicht psychologisch im modernen Sinn, denn seit William James stellt man dem in der Reflexion erkennenden Selbst ein erkanntes gegenueber, und durch Selbst- und Fremdbeobachtung wuerde nach und nach, dem Selbstkonzept entsprechend, ein Ich entstehen. Dieser Konstruktivismus bildet gerade das aus, was Ignatius mit ungewollter Abhaengigkeit, Heidegger mit dem Man, Kierkegaard mit der Verzweiflung, und die buddhistische Anatta-Lehre mit dem Nicht-Selbst gemeint hat.

Im Labyrinth von Varanasi

Es hat so begonnen, dass Sandro von einem bestimten Restaurant gehoert hatte, und wir dort an unserem letzten Tag in dieser Stadt essen wollten. Als wir in die Motorrikscha stiegen, begann der Regen herunterzuprasseln, die Strassen leerten sich. Der Fahrer verschloss sorgsam den Einstieg zur Sitzbank und fuhr unverdrossen weiter. Aber das letzte Stueck des Weges verlief durch eine Fussgaengerzone, da mussten wir laufen. Die Verkaeufer hatten gelassen Planen ueber ihre Staende gezogen, die Kaeufer wateten durchs Wasser, hielten einen Schirm oder und zogen die Dupatta fester ueber den Kopf. Ich versuchte, ueber die Pfuetzen zu springen, aber als sich Stroeme aus den Seitengassen ergossen, watete ich mit den Sandalen bis zu den Knoecheln in der braunen Schwemme. Nach vielem Fragen gerieten wir in die Seitengassen der Seitengassen, der Weg veraestelte sich immer weiter, die Gaenge schienen den Atem einzuschnueren. Schliesslich fanden wir selbst die Spur und konnten nun Schildern folgen, an kleinen Tempeln vorbei, dann stand eine Kuh in der Gasse, es spielten Kinder, es sass ein blinder Bettler im Schlamm, zuweilem mussten wir ueber Stufen steigen, immer wieder scharf abbiegen, uns der Einladungen erwehren, zum Haareschneiden, Seide kaufen, einen Stadtfuehrer engagieren, einen Bootsausflug zu machen. Zum Restaurant mussten wir fuenf Stockwerke hochsteigen und sassen dann auf einer ueberdachten Terrasse, hoch ueber dem Ganges.

Als wir nach der langen Essenspause wieder einigermassen trocken waren und nochmals ins Labyrinth stiegen, wurden wir auf eine Verbrennung an einem Ghat aufmerksam gemacht. Und wieder ging es durch winzige Gassen, an Kapellen und Latrinen vorbei, an Wasserhaehnen, wo Menschen ihre Flaschen auffuellten, manchmal an Verkaufsstaenden, zuweilen stand eine Tuer offen und liess den Blick in den Hof ein, oder in ein Wohnzimer, wo im Halbdunkel drei Tanten sassen und dem Grossvater die Fingernaegel schnitten. Und als sich der Blick zu oeffnen begann und die Hauswaende auseinandertraten, da schlug uns beissender Rauch entgegen. Grosse Mengen Holz waren aufgeschichtet neben dem Fluss, und da Hochwasser war und die Stufen ueberflutet, draengte sich alles zusammen am Ufer, und einige waren in ein Haus gestiegen und wohnten der Zeremonie wie von einer Galerie aus bei. Grosse Aufregung herrschte, je naeher ich dem Feuer kam - ich wurde geduldet, durfte aber das Feuer nicht fotographieren. Hinter einer Mauer wurde ganz nah am Fluss ein Leichnam verbrannt, und die Stadt wartete darauf, die Asche in den Fluss zu streuen. Die Familienangehoerigen umkreisten die Feuerstelle und stocherten darin herum, der Sohn sollte die Hirnschale aufknacken, damit die Seele entweichen konnte.

Wir aber entwichen durch das enge Gassengewirr, durchstreiften Rauch und Pissegestank, schuettelten den Tod ab und Schlamm und Rinderkot und traten schliesslich, frei aufatmend, auf die Strasse hinaus.

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