Ueber den unbeschreiblichen Strassenverkehr in Indien

Waehrend in der Stadt alle Strassenbenuetzer gleichberechtigt erscheinen, also Fussgaenger, Rad- und Motorradfahrer, Rickschafahrer mit Rad oder Motor, Autos, Lastwagen, Autobusse, Ziegen, Rinder, Hunde - so ist auf der Autobahn eine klare Hierarchie erkennbar. Das Feld beherrschen eindeutig LKWs, zumeist TATA-Fabrikats, in russischer Zweimeterspurbreite, sehr oft auch mit meterhohem Aufbau. Auf der Stossstange steht 40 km, und das wird auch selten ueberschritten. In langen Reihen oder einzeln sind sie bevorzugt in der Strassenmitte unterwegs, wenn die langsame Spur von parkenden Autos, Mopeds oder Gegenverkehr benutzt ist, oder auch sonst, auf der schnellen Spur. Als PKW-Fahrer naehert man sich ihnen standesgemaess folgendermassen: 1. Annaeherung bis auf Hoerabstand, 2. Vorentscheidung, auf welcher Seite ueberholt werden soll, 3. laute Hupsignale, und auf die Reaktion warten, 4. ein allmaehliches Abdrehen des LKW auf eine Seite zum Ueberholen nutzen, dabei aber weitere auftretende Hindernisse im Auge behalten, wie Unterbrechungen des Fahrbahnbelags, Fussgaenger oder Tiere auf der Fahrbahn. Indische Fahrer benoetigen dabei selten mehr als 2000 Motorumdrehungen, vorzugsweise bei 50 im fuenften Gang. Auf entgegenkommende LKWs reagiert man gelassen, grundsaetzlich werden die Richtungsfahrbahnen schon eingehalten. (Um den kontinentaleuropaeischen Leser nicht zu verwirren, gehe ich erst gar nicht auf den vorherrschenden Linksverkehr ein)

Besondere Ereignisse auf der Autobahn sind von Parkplaetzen auf die Fahrbahn zurueckstossende Lastwagen, zuweilen auch mit Anhaenger - wobei in der Regel eine Aufsichtsperson hinter dem Fahrzeug in die Fahrbahnmitte hineingeht und den Fahrer einweist, sowie Blickkontakt mit den herannahenden Strassenbenbuetzern haelt. Schwer zu sagen ist es, ob Rinder, die auf dem Gruenstreifen zwischen den Fahrbahnen weiden und sich anderer Wiesen erinnern, oder Frauen, die mit auf dem Kopf meterhoch aufgetuermtem Heu, das ueber die Augen herabhaengt, die Fahrbahn queren, leichter einzuschaetzen sind.

Was ich heute noch auf der Autobahn gesehen habe: Einen invaliden Dreiradfahrer, der mit den Haenden kurbelte. Einen Soldaten, der seiner vom Wind verblasenen Zigarettenschachtel minutenlang ueber alle Fahrspuren nachjagte, bis alle Herankommenden zum Stillstand kamen. Arbeiter, die Reifen wechselten am LKW, der auf der langsamen Spur abgestellt war, und zwar immer so, dass sie sich auf der schnellen Spur ausbreiteten. Einen Hund, der nach einigem Zickzack in unser Auto hineinlief, von der Stossstange hinuntergeworfen wurde, hinter uns einige Purzelbaeume schlug, aber dann wieder von der Fahrbahn taumelte. Uebrigens liegen immer wieder Hundekadaver halbverwest mitten auf der Fahrbahn.

Grundsaetzlich sollte gesagt werden, dass der Verkehr auf gaenzlich anderen Prinzipien beruht wie bei uns. Jeder Teilnehmer ist vorhanden und hat somit Existenzrecht. Das bedeutet, dass der Blick nach vorn geht, zu den anderen sichtbar vorhandenen Teilnehmern, die einem vorgesetzt sind. Wer nachkommt, muss fuer sich selbst sorgen. Richtungsaenderungen sind jederzeit noetig, damit wird vom Nachkommenden gerechnet. Dabei verlaesst man sich eher auf Handzeichen als auf Blinklichter, denn Elektronik kann bekanntlich leicht irren. Hierin ist der indische Verkehr dem europaeischen schon weit voraus, der sich allerdings in dieselbe Richtung bewegt. Ich rechne mit der baldigen Auflassung der gelben Blinkzeichen.

Im dichten Stadtverkehr ist bedeutsam, dass die ueberragenden Hecks von LKWs und Autobussen fast immer in der Hoehe der Windschutzscheibe der PKWs sind, wodurch man sich bei beengten Verhaeltnissen ein wenig unterschieben kann. Das ist jedoch nur dort zu empfehlen, wo keine tiefen Schlagloecher zu erwarten sind. Die behendesten Fahrer sind nach unserer bisherigen Erfahrung eindeutig die Motorrickschafahrer. Das dreiraedrige Fahrzeug erinnert an das Autodrom im Prater, hat einen aehnlichen Einschlag, aber viel bessere Beschleunigung. Gewoehnliche PKWs werden trotz Gegenverkehrs ueberholt, weil meist der Entgegenkommende im letzten Moment ausweicht oder sich eine andere Loesung auftut. Hier ist der umfassende Spurenwechsel sehr beliebt, hat dabei aber ernste Konkurrenz von Fahrraedern und Motorraedern. Bei Sandro ist dieses oekonomische Verkehrsmittel jedoch weniger beliebt, und ich habe Anzeichen von Uebelkeit bei ihm bemerkt, die nichts mit der Ernaehrung zu tun hat. Deshalb werden wir morgen wieder die Eisenbahn benutzen.


Seht euch mal das an!

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